Krigsbarn

Elevblogg – ein undurchsichtiges Schulprojekt?

Screenshot des ersten Eintrags

Screenshot des ersten Eintrags „Tyskerjenter urettferdig behandlet“

Den 2. Verdenskrig – Elevblogg med repportasjer fra 2. verdenskrig [Der 2. Weltkrieg – Schülerblog mit Berichten vom 2. Weltkrieg]* ist ein einfach gestalteter WordPress-Blog mit elf Beiträgen zum Zweiten Weltkrieg in Norwegen und Europa. Die Themen reichen vom Blitzkrieg, über die Judenverfolgung bis zum D-Day. Weiter beschäftigen sich gleich zwei Beiträge mit Krigsbarn und der Behandlung ihrer Mütter durch die norwegische Gesellschaft. Alle Einträge sind, wovon durch die Überschrift Elevblogg ausgegangen werden kann, von Schülern verfasst. Die Namen der jeweiligen Autoren sind vor oder nach den einzelnen Einträgen vermerkt. Leider findet sich jedoch kein einleitender Text, ein Hinweis auf ein Projekt oder gar ein Impressum, aus dem nähere Informationen zur Entstehung des Blogs gezogen werden könnten.

Tyskerjenter urettferdig behandlet? [‚Deutschenflittchen‘ ungerecht behandelt?]

fragt der erste Eintrag, der sich explizit mit Frauen, die ein Verhältnis zu deutschen Soldaten hatten, auseinandersetzt. Dabei wird besonders auf die Internierung der meist jungen Frauen eingegangen, die offiziell deren Schutz vor Anfeindungen aus der Gesellschaft dienen und weiter die Ausbreitung von Geschlechtskrankheiten verhindern sollte. Weiter wird der Entzug der norwegischen Staatsbürgerschaft und die Ausweisung nach Deutschland thematisiert. Die öffentliche Verfolgung der im Eintrag als Tyskerjenter bezeichneten Frauen wird schließlich mit den Grausamkeiten gegenüber den Juden verglichen und die Frage gestellt „Hadde vi ikke nettopp kjempet for frihet og rettferdighet for alle folkeslag?“ [Hatten wir nicht gerade erst gekämpft, für Freiheit und Gerechtigkeit für alle Menschen?]. Die Autorinnen kommen zu dem Schluss, dass sich die meisten Frauen wohl aus Liebe mit den deutschen Soldaten eingelassen hatten und ihre anschließende Behandlung durch die Behörden deutlich zu hinterfragen sei.

Der Eintrag wird durch verschiedene Bilder unterstützt: So sind zu Eingang des Textes mehrere Personen hinter einem hohen Zaun vor einem großen Gebäude stehend zu sehen. Die Bildunterschrift spricht von Tyskerjenter im Internierungslager, betrachtet man das Foto jedoch ein wenig genauer, scheinen die abgebildeten Personen eher männlich zu sein. Des Weiteren fehlen jedwede Quellenangaben des Fotos. Ähnliches zeigt sich beim zweiten Bild: Hier hängt eine Frau über einer Bank, auf ihrem nackten Rücken prangt ein Hakenkreuz. Die Bildunterschrift geht hier auf die Haarschur ein, mit der die Frauen gekennzeichnet wurden, aber auch hier finden sich erneut keine Quellenangaben, die Links der Fußnoten leiten bei diesen Fotos zu Google weiter.

Abschließend wird der Eintrag durch ein in den Text eingebettetes YouTube-Video ergänzt, welches laut Blogeintrag aus einer Nachrichtensendung von 1945 stammt. Das Video zeigt dabei die Einrichtung des Hauptlagers auf Hovedøya in Oslo. Ein weiterer Kommentar dazu findet sich nicht. Festgehalten werden sollte weiter, dass die Autorinnen auf eine sehr unklare Weise erwähnt werden: „Dette debattinnlegget er skrevet av Gudrun(Vilde) og Gjertrud(Marie L) 06. desember 1955“ [Dieser Diskussionsbreitrag wurde von Gudrun(Vilde) und Gjertrud(Maire L) am 06. Dezember 1955 geschrieben]. Der Text wirkt teils in einem tagesaktuellen Schreibstil verfasst, die Nachweise zu den Informationen, die mit Fußnoten angegeben sind, verweisen jedoch alle samt auf Onlinelexikoneinträge und Zeitungsartikel aus dem Jahr 2008. Inhalt und Form des Eintrags lassen zu dem Schluss kommen, dass ein Beitrag aus dem Jahre 1955 teils verwendet, dies aber nicht deutlich gekennzeichnet wurde und sich der Text so aus möglichen alten und neuen Teilen zusammensetzt. Das Bild, das sich in Bezug auf die Quellenkritik somit abzeichnet, wirkt jedoch nicht ungewöhnlich, wird bedacht, dass man es hier mit einem Schülerblog zu tun hat.

Tyskertøsene [‚Deutschenflittchen‘]

ist der zweite Eintrag, der zunächst erklärend auf die Begriffe tyskertøs und tyskerjenter eingeht. Es folgt eine Aufzählung der Vorwürfe, die gegen die Frauen erhoben wurden, die ein Verhältnis mit einem deutschen Soldaten hatten. Die Grausamkeiten aus der Bevölkerung gegenüber den Frauen und die Andeutung, die Internierung wäre nur vordergründig zum Schutz dieser geschehen, zeigt die kritische Haltung der Autorinnen, die im Weiteren auch die geschichtliche Aufarbeitung und Rehabilitierung der Frauen als vernachlässigt ansehen. Mit zwei Beispielen wird beschrieben, dass es auch während der fünfjährigen Besatzungszeit ein Alltagsleben gab, das Norweger und Deutsche besonders im Norden teilten. Somit sei es auch nicht verwunderlich, dass norwegische Frauen Verhältnisse mit den deutschen Soldaten eingingen. Beide Beispiele zeigen Frauen, die aus Liebe zu den Soldaten die Häme aus der Bevölkerung und das Internierungslager auf sich nahmen und durch ihre Heirat sogar die norwegische Staatsbürgerschaft aufgaben.

Mit einem thematischen Schwenk im Eintrag vollzieht sich auch ein perspektivischer Wechsel. Behandelt wird nun die Geschichte der krigsbarn, die zunächst als Opfer ihrer Mütter dargestellt werden. Die Mütter, so die Autorinnen, die ein Verhältnis zu den Besatzern eingingen, versuchten die Schande, die in Form ihrer Kinder deutlich sichtbar schien, durch das Schweigen über die Väter oder gar Adoption zu schmälern. Erst anschließend wird auf den Verein Lebensborn, dessen Programm und die Schikanen, unter denen die Kinder zu leiden hatten, fokussiert. Die Situation der krigsbarn wird ausführlich geschildert, auch die ungerechte Behandlung durch den Staat durch das Vorenthalten der Staatsbürgerschaft gegenüber Kindern, deren Mütter sich für eine Heirat mit einem Deutschen entschieden hatten, sowie daraus resultierende psychische Leiden werden angesprochen. Bis heute, resümieren die Autorinnen, litten die Kinder unter der damaligen Wahl der Mütter.

Zu einem Ende und erneuten Wechsel der Perspektive kommt es im Text durch ein Interview mit einem sog. krigsbarn. Der Interviewte beschreibt seine Eltern, gegensätzlich zur Darstellung im vorausgegangenen Absatzw, jedoch sehr liebevoll. Er gibt die Schuld für die Häme, die sie alle über sich ergehen lassen mussten, vor allem der norwegischen Bevölkerung.

Auch dieser Beitrag wird durch die Angabe von Verweisen unterstützt, wenn sich auch bei den Fotos ein ähnliches Bild wie im ersten Beitrag zeigt. Lediglich das letzte enthält zumindest die Angabe aus Privatbesitz zu stammen. Im Übrigen erklärt der Text die Fakten sachlich und ausführlich, sobald es jedoch zu Einzelschicksalen kommt, findet sich eine in schwarz und weiß unterteilte Haltung. Dies zeigt sich besonders im Wechsel des Fokus von den Müttern auf die Kinder. Hier lässt sich leider nicht erkennen, ob sich die Haltung der Autorinnen gegenüber dem Thema gleichermaßen mit der Sichtweise ändert, oder ob die Unterkapitel unter den vier Autorinnen aufgeteilt wurden und so ein anderer Blickwinkel zustande kommt. Da es, wie bereits erwähnt, auch keine Hinweise auf die Schüler gibt, wie z.B. ihr Alter, lässt sich nur schwer eine sichere Aussage darüber machen, ob der Eindruck der schwarz-weißen Sichtweise auf eben dieses zurückzuführen ist.

 Viele Verweise und trotzdem undurchsichtig

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die beiden Blogeinträge eine übersichtliche Einführung in die Thematik der krigsbarn und ihrer Mütter geben. Die Informationen werden in kompakten Texten wiedergegeben, ohne den Leser jedoch mit zu vielen Fakten zu überhäufen. Ein Mangel, der sich jedoch zeigt, ist die teils unsaubere Arbeit mit Verweisen, dies besonders im Hinblick auf die Verwendung von Fotos. Da weiter auch in den Texten Unstimmigkeiten, wie der oben genannte plötzliche Perspektivenwechsel auftreten und zudem Unklarheiten über die Autorinnen bestehen, wird die Glaubwürdigkeit der Einträge doch untergraben. Natürlich ist der Standard eines Schülerblogs in Fragen der Quellenkritik ein anderer, als der eines wissenschaftlichen Aufsatzes, wenn es den Autorinnen jedoch gelingt die vorhanden Verweise korrekt anzugeben, sollte es nicht zu viel verlangt sein auch die eigens verfassen Teile deutlich zu kennzeichnen. Abschließend stellt sich der Blog als interessantes Medium dar, um mit Schülern den Zweiten Weltkrieg zu diskutieren und aufzuarbeiten und so ein lang vergessenes bzw. verschwiegenes Thema zu erinnern. Allerdings ist noch einmal zu erwähnten, dass hier ganz klar zumindest ein Vermerk zum Hintergrund des Blogs fehlt.

*Die Übersetzungen im vorliegenden Text stammen von der Autorin und sind durch [ ] gekennzeichnet.

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Norges Krigsbarnforbund – Vereinsseiten als Beitrag zur Erinnerungskultur

Screenshot der Startseite des NKBF

Screenshot der Startseite des NKBF

nkbf.no ist die Homepage des Vereins für norwegische Krigsbarn [im Sinne des zuvor publizierten Beitrags zum Thema Krigsbarn zu verstehen]*. Bereits auf der Startseite wird die Zielgruppe des Vereins und folglich auch der hier untersuchten Internetseiten klar definiert. Die Interessenorganisation richtet sich gemäß des Einleitungstextes vor allem an Personen, die im Zeitraum 1940-1946 von norwegischen Müttern geboren wurden und deren Väter der deutschen Besatzungsmacht angehörten.

Weiterhin folgt der Hinweis auf die parteipolitische Neutralität und auf die Gründung des Vereins, am 18. Februar 1986 durch Per Arne Løhr Meek. Dieses Datum findet sich auch im Header direkt unter dem Namen des Vereins.

Die eigene Zielsetzung des Vereins wird anhand von Fragestellungen und Stichpunkten auf der Startseite deutlich gemacht. Zusammenfassend liegt der Fokus darauf, die Interessen der Krigsbarna zu wahren und wahrzunehmen, Aufklärungsarbeit zu leisten, sowie Rat und Unterstützung bei der Suche nach der Herkunft zu bieten. In einem kurzen Seitentext, der auf den ersten drei Hauptseiten der Homepage ein festes Bestandteil des Layouts ist, lassen sich diese Zielsetzungen wiederfinden in der sogenannten Vision des Vereins ‚die 40 Jahre lang verschwiegene Geschichte der Krigsbarna ins Licht der Öffentlichkeit zu bringen‘.

Die Internetpräsenz des Vereins ist nur in norwegischer Sprache verfügbar. Eine Online-Registrierung als Mitglied ist nicht möglich, jedoch finden sich in der Navigationsleiste unter dem Reiter Om Forbundet [über den Verein] Kontaktdaten zum Sitz des Vereins in Nesoddtangen, sowie zur Leitung des Vereins und zu regional zuständigen Personen. Die Hauptleitung hat im Moment Gerd-Inger Resch inne, die selbst als Krigsbarn aufwuchs, wie in einem Artikel der norwegischen Zeitung Aftenposten nachzulesen ist. Für Mitglieder des Vereins stellt die Seite ein Mitgliedsblatt ‚Røtter‘ [Wurzeln] zur Verfügung, das jedoch nicht öffentlich zugänglich ist. Hier zeigt sich die Orientierung an der bereits erwähnten relativ klar definierten Zielgruppe.

Inhaltlich bieten die Seiten des NKBF tiefergehende Einblicke in die Vereinsgeschichte, sowie in die Satzung des Vereins und die Hauptanliegen der Vereinsarbeit. Entsprechend findet sich in der Navigationsleiste ein Bereich mit der Überschrift Finn din Far! [Finde deinen Vater!]. Hier werden notwendige Informationen zur Suche nach dem deutschen Vater bereitgestellt. Unter anderem erfolgt Aufklärung über die rechtliche Lage bezüglich der Einsicht in Archivmaterial, sowie ein Fragebogen, der an deutsche Kontaktpersonen gesendet werden kann, die bei der Recherche weiterhelfen.

Außerdem liefert die Homepage unter dem Stichwort Dokumentasjon [Dokumentation] eine Übersicht zur rechtlichen Aufarbeitung der Krigsbarn-Thematik, sowie zur Stellungnahme von staatlicher Seite. Laut nkbf.no begann die offizielle öffentliche Auseinandersetzung mit der Geschichte der Krigsbarn-Thematik im April 1998, mit einem von Bjørn Hernæs gestellten Antrag an das norwegische Parlament, mit der Aufforderung zur Untersuchung der Situation der Krigsbarn. Vertiefende Informationen zur rechtlichen Aufarbeitung liefert zusätzlich eine umfangreiche Linksammlung, die ebenfalls in der Navigationsleiste unter dem Bereich Dokumentasjon zu finden ist.

Einen allgemeinen Einblick in die Geschichte der Krigsbarn liefert die Subpage mit dem Titel Litteratur [Literatur]. Hier findet sich eine Literaturliste mit einer Auswahl an Publikationen sowohl wissenschaftlicher wie auch belletristischer Art. Außerdem wird ein Aufsatz von Kåre Olsen zur Verfügung gestellt, der sich mit der Rolle von Archiven bei der Aufarbeitung der Sache der Krigsbarn befasst.

Nahezu vollkommen verzichtet wird auf die Darstellung von Einzelschicksalen oder die nähere Beschreibung alltäglicher Lebensumstände mit denen Krigsbarna konfrontiert werden konnten und auch immer noch konfrontiert werden können. Dies wäre jedoch meines Erachtens dem Hauptinteresse der Vereinsseiten nicht zuträglich, sondern würde diese überladen wirken lassen. Außerdem bietet vor allem die erwähnte Literaturliste eine gute Ergänzung in dieser Hinsicht.

Die Gestaltung der Homepage des NKBF ist sehr übersichtlich und gradlinig, wodurch sie einen seriösen Eindruck macht. Zudem ist der Verzicht auf Werbung der Seriosität zuträglich. Die äußerliche Form dient dem Inhalt, insofern die benannte Zielsetzung der Seite ist, der Aufklärung zu dienen und Informationen bereit zu stellen. Dank einer sinnvollen Unterteilung in Teilbereiche der Seite, wirkt die Homepage übersichtlich und lässt sich leicht bedienen. Dies wird zusätzlich durch eine einheitliche Farbgestaltung in grau, blau und orange Tönen unterstützt. Auch auf Bebilderungen wird weitestgehend verzichtet, was der Schwerpunktsetzung auf sachliche, informative Inhalte entspricht und die Aufmerksamkeit auf den Text lenkt. Der Thematik entsprechend wurde für den Header eine norwegische Flagge gewählt, die in eine deutsche Flagge der heutigen Zeit übergeht. Die ineinandergreifenden Kanten der Flaggen sind jeweils zackenförmig ausgefranst. Auf den ersten Blick zeigt sich durch die Darstellung der beiden Flaggen deutlich die Verbindung zwischen deutscher und norwegischer Geschichte. Bei näherer Betrachtung könnten die Kanten jedoch als Hinweis auf die häufig sehr schmerzhaften und sozusagen ’scharfkantigen‘ Folgen/Spuren der Geschichte gedeutet werden. Die Wahl der Nachkriegsflagge Deutschlands und nicht der deutschen Flagge der Besatzungszeit, kann als Hinweis auf die Aktualität des Themas interpretiert werden. In Zusammenhang mit den langen Jahren des Schweigens und der stetig sinkenden Zahl von Zeitzeug_innen, entspräche dies der Notwendigkeit von Erinnerung und Aufarbeitung gerade auch in der heutigen Zeit. Gleichzeitig kann die Wahl der Flagge auch als Vermeidung von Hakenkreuzen zur Illustration der Website verstanden werden.

Wie bereits erwähnt, scheint die Internetpräsenz des NKBF eine relativ klare Zielgruppe zu haben, entsprechend der Hauptanliegen des Vereins. Darüber hinaus liefert die Homepage jedoch einen hilfreichen Eindruck über den Stand der öffentlichen und rechtlichen Thematisierung und Aufarbeitung der Geschichten der Krigsbarna. Dies lässt sie zu einer seriösen Quelle für erinnerungskulturelle Forschungsfragen werden, vor allem bezüglich des Beitrags zur geschichtlichen Aufarbeitung durch Vereinsarbeit.

*Die Übersetzungen im Text stammen von der Autorin und sind durch [ ] gekennzeichnet.

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