Museum 2.0

Kong Haakons tale, 17. Mai 1940

Die klassische Quellenkritik stößt bei der Untersuchung moderner Medien häufig an ihre Grenzen. Bei herkömmlichen, in schriftlicher Form vorliegenden Texten, ist es erheblich einfacher, Entstehungsrahmen und -hintergrund zu rekonstruieren. Deutlich komplizierter gestaltet sich dies bei digitalen Quellen und man sieht sich von vornherein mit der Frage nach der Authentizität konfrontiert. Dies ist der Grund, wieso im Folgenden die zu untersuchende Quelle, König Haakons Rede vom 17. Mai 1940 (zu finden auf der offiziellen Website des Königshauses), nicht primär im Hinblick auf den Materialhintergrund hin, sondern auf ihre inhaltliche Interpretation, sprich ihre Rhetorik und ihre ihr zu Grunde liegende Ideologie untersucht werden soll.

Bei der äußeren Kritik sind vor allem vier Punkte entscheidend: Entstehungsort, -zeit, Verfasser und Adressat. Schon bei der Ortsangabe gibt es erste Schwierigkeiten. Auf der Internetseite des Königshauses findet sich auf den ersten Blick keine diesbezügliche Angabe. Folgt man jedoch den verlinkten Seiten, kann man feststellen, dass eine weitere Rede Haakons des selbigen Tages in Bodø entstanden zu sein scheint. Man kann also davon ausgehen, dass der König sich mit großer Wahrscheinlichkeit entweder dort oder in Tromsø aufhielt, da sich hier seit dem 1. Mai der Regierungssitz befand. Das Ausstrahlungsdatum wiederum ist klar angegeben, Verfasser (Haakon) und Adressat (das norwegische Volk) gut nachzuvollziehen. Daher liegt, wie einleitend bereits hingewiesen, die größte Problematik wohl in der Ermittlung des übertragenden Mediums bzw. des ausstrahlenden Radiosenders. Norsk rikskringkasting (NRK), als größter staatlicher Sender bereits am ersten Tag der Besatzung von den Deutschen übernommen, fällt hier aller Wahrscheinlichkeit nach weg. Spekulierend könnte man annehmen, dass es sich um eine lokale Rundfunkanstalt handelte. Dennoch sollte man sich bei der vorliegenden Quelle die Frage nach der Authentizität stellen, wenn die Herkunft nicht eindeutig zu klären ist. Aus dem gesichteten Material allein lässt sich die Herkunft nicht eindeutig klären, es sollte jedoch davon ausgegangen werden können, dass es sich bei der offiziellen Seite des norwegischen Königshauses um einen seriösen Bereitsteller handelt und von einer authentischen Datei gesprochen werden kann.

Befasst man sich nun genauer mit dem Inhalt der Rede Haakons, sollten einige historische Hintergründe im Vorfeld kurz erläutert werden. Wie bereits erwähnt, befand sich Norwegen zum Zeitpunkt der Ausstrahlung schon einige Zeit unter der Besatzung der Deutschen Wehrmacht, die am 9. April in Norwegen im Zuge der Weserübung einmarschierte. Haakon lehnte nach Absprache mit seiner Regierung eine Kapitulation ab und flüchtete am 7. Juni ins Exil nach London. In Norwegen formierte sich über die Jahre der Okkupation hinweg ein organisierter Widerstand, der im Nachhinein oft als großes nationales Identifikationsbild gesehen wurde.

Der 17. Mai, der in der Rede von Haakon erwähnt wird, ist der norwegische Nationalfeiertag.

Wie geht der König nun also in seiner Ansprache vor? Meiner Meinung nach gibt es hier drei wichtige Stationen, die auch einer festen Reihenfolge folgen. Als erstes lässt sich hier das Zusammenfassen der Lage, die Rechtfertigung und Verteidigung seiner Entscheidungen, „vi valte så langt det lot seg gjøre å sette alt inn på å bevare selvstendigheten “(Min. 1:52,) und natürlich der Vorwurf dem Gegner gegenüber, „forferdelig urett den har begått“ (Min. 1:20), nennen. Haakon schafft hier also zunächst eine Grundlage für die Diskussion, ein Fundament für seine Argumentation, bei der er und seine Entscheidungen eine nachvollziehbare Motivation bekommen.

Der nächste Punkt ist der Kontakt zum Volk. Dies geschieht, indem er einerseits einzelne Bevölkerungsgruppen („telegraffolk, jernbanefolk, arbeidere“(Min. 3:40), „marinen“(Min. 3:07)) als positives Beispiel hervorhebt, „[som] har hjulpet militærvesenet i disse vanskelige dager“(Min. 3:35), andererseits aber an die ganze „sivilbefolkningen“(Min. 4:02) appelliert. Indem er hier die breite Masse einbezieht, schafft er eine Identifikationsgrundlage für das gesamte Volk. Zudem wird sogleich auch der zukünftige Verbündete zweifelsfrei festgestellt: „med våre alliertes hjelp“(Min. 2:40) soll die Freiheit zurückgewonnen werden.

Eng hiermit einhergehend, als letztes und vielleicht wichtigstes Glied in seiner Argumentationskette, steht der positive Ausblick in die Zukunft, den der König gibt. Ein Volk unter Fremdverwaltung braucht Hoffnung und Haakon gibt sie der Bevölkerung: es ist von elementarer Bedeutung „ ikke å oppgi troen på og håpet om at dere skal befries“(Min. 4:37). Denn nur so können die Menschen ihre Aufgabe erfüllen: „å bevare Norge som et fritt, selvstendig land“(Min. 4:59).

Haakons Rhetorik ist klar, präzise und perfekt konstruiert. Er gibt seinem Land, seinem Volk eine Aufgabe, mit dem es seine Hoffnungen verbinden kann. Er schafft eine argumentativ unterstützte Grundlage für den Widerstand, für die Identifikation eines jeden norwegischen Bürgers. Schließlich stellt er auch die Verbindung zwischen sich und seinen Untergebenen her, der vielleicht wichtigste Gesichtspunkt. Haakon sichert sich so die zukünftige Unterstützung.

Dass er mit seiner Argumentation wichtige Impulse gab, kann man am sich bald darauf formierenden Widerstand herauslesen. Inwieweit aber Haakons Rede den Widerstand tatsächlich beeinflusste, kann heute nicht mehr eindeutig nachvollzogen werden.

– verfasst von Felix Guhl (Bachelorstudierender der Skandinavistik/Nordeuropa-Studien am Nordeuropa-Institut)

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NORDIKI – Das Netzportal mit Archivmaterial aus dem besetzten Norwegen

Screenshot der Hauptseite des Digitalarchivs NORDIKI

Screenshot der Hauptseite des Digitalarchivs NORDIKI

Der ausschließlich norwegische Internetauftritt Nordiki.no wurde am 14. April 2005 erstellt und ist ein rein institutionell gestütztes Projekt. Die Projektgruppe, die Nordiki betreibt, besteht ausschließlich aus Universitäts-, Hochschul-, Archiv- und Museumsmitarbeitern aus Bergen. Projektleiter und Ansprechpartner ist Prof. em. Stein Ugelvik Larsen vom Institut für Informations- und Medienwissenschaft der Universität Bergen. Im Grunde handelt es sich bei Nordiki um ein volldigitalisiertes Quellenarchiv, das alle Seiten des Zweiten Weltkrieges und der Okkupation Norwegens zwischen 1940 und 1945 durch Foto, Film, Audio und verschiedene Presseerzeugnisse der Zeit zu dokumentieren versucht. Dadurch möchte man einen größtenteils vollständigen Einblick in die Okkupationszeit Norwegens liefern, vor allem, um der Forschung neuartige Möglichkeiten der Analyse und Historiographie dieser Zeit zur Verfügung zu stellen. Dabei wendet sich Nordiki vor Allem an die Öffentlichkeit und Privatmenschen und bittet um Mithilfe bei der Vervollständigung des Archivs durch Einsenden und anschließender Qualitätskontrolle von Material sowie dazugehöriger Verlinkung zu bisherigen Webprojekten, die ebenfalls in dem Themenfeld angesiedelt sind.

Die Startseite von Nordiki besteht aus einer Art Willkommensseite, auf der einige historische Bilder sowie ein Willkommensgruß in drei Sprachen – Norwegisch, Englisch sowie Deutsch – vorhanden sind. Gelangt man nun automatisch zur Hauptseite, erkennt man die klare und übersichtliche Struktur des Webprojekts: Mittig auf der Seite befindet sich der Inhalt. Linksbündig befindet sich die thematische und chronologische Navigation durch das Webarchiv, beginnend mit Krigsforspill [dt. etwa “Vorkriegszeit”], Okkupasjonen [dt. “die Besatzung”] sowie abschließend Frigjøringen [dt. “die Befreiung”]. Jeder dieser Zeitabschnitte ist in der Navigation erneut in verschiedene Punkte unterteilt. In der Vorkriegszeit befinden sich Punkte über wichtige Aktivitäten im Allgemeinen, Hitlers Norwegen-Besuch 1934 und die Invasion. Unter dem Punkt der Besatzung sind die Abschnitte über die deutsche Besatzungsmacht, die alliierten Streitkräfte, den Widerstand (“Heimatfront” & illegale Presse), deutsche, alliierte und norwegische Propaganda, norwegische Kollaboration sowie Alltagsleben zu finden. Die Befreiung unterteilt sich in “Mai 1945” als Thema sowie die Rechtsprozesse der Verräter [norw. “landssvikoppgjøret”]. Viele dieser Inhaltsseiten bestehen aus Bildern, einem kurzen Einführungstext sowie einer Auflistung von Primär- und Sekundärquellen zu dem Thema, wobei (noch) nicht zu jedem Themenfeld Primär- oder Sekundärquellen vorhanden sind.

Rechtsbündig befindet sich das zweite Navigationsmenü, über das man zu Foto-, Film-, Ton- und Dokumentsammlungen anderer Webprojekte gelangt. Ebenfalls sind dort verschiedene Online-Datenbanken verzeichnet. Bei den Sammlungen und Datenbanken handelt es sich sowohl um Privatprojekte, als auch um institutionelle Seiten. Über das rechtsbündige Navigationsmenü gelangt man außerdem zu einer Auflistung von Büchern, die in Zusammenarbeit mit einzelnen Mitarbeitern von Nordiki entstanden sind, und zu einer Art weiterführenden Linksammlung. Hier werden themenspezifische Internetausstellungen, weiterführende (zumeist private) Webprojekte, Literaturlisten, sonstige Artikel sowie bevorstehende Informationstage oder Seminare verschiedener Institutionen angegeben und verlinkt. Abschließend wird ein Beitragsarchiv angeboten.

Die Homepage ist sehr simpel gehalten. Man hat sich für ein übersichtliches, dreispaltiges Format entschieden, wobei die beiden Navigationsmenüs und der jeweilige Inhalt die Spalten bilden. Die Farbgebung ist schlicht und hell: ein weißer Hintergrund, hellgrau hinterlegte Felder und pinkfarbene Überschriften. Dadurch wirkt die Seite im Allgemeinen recht neutral und ist gut lesbar. Des Weiteren ist Nordiki frei von Werbung und sonstigen Einblendungen. Lediglich ein Google-custom Suchfeld zur Nordiki-internen Suche und ein “Folge uns auf Facebook” Button sind in den Navigationsspalten vorhanden. Durch einen Klick auf den Facebook-Button gelangt man auf das Projektprofil, von welchem aus ebenfalls Neuigkeiten und Beiträge veröffentlicht werden.

Da Nordiki eine institutionelle, universitätsgestützte Homepage ist, erwartet man gerade hier gut recherchierte Inhalte, Objektivität sowie eine gute Umsetzung. Nach wenigen Minuten wird einem klar, dass diese Punkte hier voll und ganz zutreffen. Es werden nicht nur alle Seiten der Okkupation beleuchtet, sondern auch dadurch, dass es sich bei Nordiki um ein reines Webarchiv handelt, objektiv vermittelt. Die Orientierung und Navigation ist stets nachvollziehbar und logisch und unterstreicht dadurch den Gesamteindruck. In einigen Quellenkategorien trifft man auf bereits behandelte Webprojekte, wie bspw. NUAV, digitalokkupasjon oder krigsminne, was den Blick auf diese Projekte wiederum in ein positives Licht rücken kann, da laut Nordiki-Disclaimer, eine Qualitätskontrolle vor einer Verlinkung durchgeführt wird. Das Projekt stellt einem eine breite und äußerst detaillierte digitalisierte Quellenlandschaft zur Verfügung und kann als eine Art “Zentrum” zur Quellenrecherche dienen, da, gerade durch die Verlinkungen auf weiterführende Projekte, der Informationsgehalt enorm ist. Allerdings muss man beachten, dass die themenspezifischen Primär- und Sekundärquellen nicht vollständig sind und es durchaus vorkommt, dass eine Quellenauflistung noch komplett inhaltsleer ist.

Abschließend lässt sich sagen, dass Nordiki ein gelungenes Projekt ist, das für jeden Interessierten oder Forscher im Bereich der Okkupationszeit als Anlaufstelle zur Quellensuche dienen kann und sollte, da sich kaum anderswo im Internet eine derartige Masse und Vielfältigkeit von digitalisierten Primär- und auch Sekundärquellen innerhalb dieser Thematik finden lässt. Die Umsetzung ist gelungen und aufgrund von fehlender Werbung oder Sponsoring-Einblendungen lassen sich keine Punkte finden, die die Seriosität der Homepage in Frage stellen könnten.

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Google Art Project

The Starry Night (1889) von Vincent Van Gogh MoMa, The Museum of Modern Art

The Starry Night (1889)
von Vincent Van Gogh
MoMa, The Museum of Modern Art

Sie wollten schon immer einmal die Kunstsammlung des Museum of Modern Art  in New York besichtigen? Das Art Project der weltgrößten Suchmaschine google macht es möglich… ohne dazu selbst in der Stadt zu sein. Weiterlesen

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Geschichte mobil erleben

Mit dem Smartphone Geschichte mobil erleben – zum Beispiel durch QR-Codes

Einmal mit der Zeitmaschine zurück in vergangene Tage und längst verschwundene Welten erkunden – der Traum aller Geschichtsinteressierten. Dank neuester Technologie innerhalb der mobilen Kommunikation ist das interaktive Erleben von historischen Ereignissen und längst zerstörter Bauwerke ein Stück näher gerückt. Nicht zuletzt Institutionen zur Geschichtsvermittlung wie Museen können ihre Ausstellungen dadurch multimedial erweitern, wie auch eine App des Freilichtmuseums „Den Gamle By“ zeigt.

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Kirunatopia – Stadtentwicklung als Kunstprojekt!

Kiruna kyrkan
Flickr CC-BY-NC-ND Tim Rawle

Die Arbeit der Künstler begleitet die Idee des Wissenschaftsaustauschs in Schweden – in Form eines Blogs!

Das Projekt Kirunatopia ist von der Idee geleitet, dem Raum Kiruna in Lappland eine neue Bedeutung zuzuschreiben. Die ehemalige Grubenstadt benötigt einen weiteren Strukturwandel, um ihre Einwohner halten zu können. Durch den lange betriebenen Eisenerz-Bergbau herrscht Einsturzgefahr. Ein neuer Lebensraum muss daher für die Stadt definiert werden, ein Neuanfang für den Ort herbeigeführt werden. Initiator ist das Goethe-Institut in Stockholm, das sich der nördlichsten Stadt Schwedens zugewendet hat. Weiterlesen

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Nation Branding per Twitter und Facebook: Beispiele aus Schweden

Brandeisen
Flickr, CC-BY jkirkhart35

Was Nation Branding angeht, beschreitet Schweden gern neue Wege. Schon vor längerer Zeit hat man auf staatlicher Seite erkannt, dass Marken wie IKEA, ABBA oder H&M dem Land weltweit einen guten Ruf verschafft haben. Das Außen- und Wirtschaftsministerium sowie die Tourismus-Werber von VisitSweden entwickelten gemeinsam mit anderen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren eine ausgeklügelte Marketing-Strategie. Übergreifendes Ziel: Weiterlesen

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